Warum Interim Buchhalter die Barkasse abschaffen sollten
- Dennis Kulla

- 22. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Barkassen sind seit jeher ein fester Bestandteil der Finanzverwaltung vieler Unternehmen. Doch die fortschreitende Digitalisierung und sich ändernde gesetzliche Vorgaben stellen die herkömmlichen Bargeldprozesse auf den Prüfstand. In diesem Artikel beleuchten wir die Nachteile der Barkasse und zeigen Ihnen, wie Interim Buchhalter durch digitale, prüfsichere Prozesse diese ineffizienten Systeme ersetzen können.
Hoher Prüfungsaufwand und Risiko bei Barkassen
Dokumentationshölle
Barkassen erfordern eine lückenlose und sorgfältige Dokumentation, um den Anforderungen der GoBD und der Abgabenordnung (AO) gerecht zu werden. Dies bedeutet, dass Einzelaufzeichnungen, zeitnahe Erfassungen und kontinuierliche Kassensturzfähigkeiten gefordert sind. In der Realität führen Zettelquittungen, verlorene Belege und handschriftliche Kassenberichte regelmäßig zu Fehlern. Diese Dokumentationsanforderungen können schnell zu einer echten Belastung werden.

Prüfungsrisiko „auf Zuruf“
Ein weiteres Problem ist das Risiko einer unangekündigten Kassennachschau. Prüfer dürfen jederzeit und ohne Vorankündigung die Ordnungsmäßigkeit der Kasse überprüfen. Bereits kleinste Formfehler oder Differenzen können zu Beanstandungen führen und bei Prüfungskosten schnell sehr teuer werden. Unternehmen riskieren hier, hohe Geldstrafen zu zahlen, was das Vertrauen in ihre Buchhaltung untergräbt.

Moderne Pflicht: E-Rechnung und digitale Belege
Mit dem Inkrafttreten der neuen E-Rechnungsverordnung am 01.01.2025 wird sich der Standard der Rechnungsstellung weiter ins Digitale verschieben. Nur strukturierte E-Rechnungen werden dann akzeptiert, während PDFs als ungültig betrachtet werden. Die Verwendung von Bargeld und Papierbelegen wird hier zunehmend obsolet. Unternehmen, die an alten Prozessen festhalten, riskieren es, den Anschluss an moderne Finanztechnologien zu verlieren.
„Erlaubt“ heißt nicht „effizient“
Obwohl offene Ladenkassen nach wie vor zulässig sind, erfordern sie eine strenge Führung und bringen zahlreiche Risiken mit sich. Die Aufwände und Fehlerquellen im Vergleich zu digitalen Lösungen überwiegen oft und führen dazu, dass die Nutzung von Barkassen wirtschaftlich selten sinnvoll ist.
Was stattdessen? Digitale, prüfsichere Mikropayments
Ziele für CFOs und HR/Procurement
Die digitale Transformation erfordert ein Umdenken in der Finanzverwaltung. Unternehmen sollten folgende DNA-Strategien verfolgen, um bargeldfrei zu werden:
Bargeldfrei agieren: Unternehmen können den Betrieb effizient gestalten, ohne auf Bargeld angewiesen zu sein.
Digitale Belegerfassung: Durch digitale Spesen-Apps können Belege einfach erfasst, geprüft und revisionssicher archiviert werden.
Rollen und Verantwortlichkeiten festlegen: Mit einem klaren RACI-Modell (Responsible, Accountable, Consulted, Informed) und vorgegebenen Budgets wird der Prozess wesentlich transparenter.
Praxisbewährte Bausteine
Firmen-/Prepaid-/virtuelle Karten: Diese Karten ermöglichen es, Team- und Projektbudgets in Echtzeit zu verwalten. Limits, Sperren bei bestimmten Händlern (MCC), und tägliche Budgets schützen vor Fehlverwendung.
Spesen-App: Diese innovative Lösung erlaubt das Fotografieren von Belegen und die Erfassung erforderlicher Pflichtfelder (z.B. Kostenstelle, Projekt). Mittels automatischer OCR (Optical Character Recognition) werden die Daten direkt ins ERP-System exportiert.
Digitaler Bestellworkflow: Kleinaufträge können durch genehmigte Micro-Purchase Orders (POs) abgebildet werden, sodass Unternehmen keine Cash-Vorschüsse mehr benötigen.
Archivierung und E-Rechnung: Wo immer möglich, sollten strukturierte E-Rechnungen angefordert werden. Bei kleineren Belegen empfiehlt sich das Speichern von Belegbildern mit Metadaten.
ROI-Beispiel: Ein praxisnahes Szenario aus dem Mittelstand
Nehmen wir an, ein Unternehmen hat zwei Barkassen, die ca. 250 Vorgänge pro Monat abwickeln und dafür 12 Buchhaltungsmitarbeiter benötigt. Hier sind einige Zahlen zur Einsparung durch die Umstellung auf digitale Prozesse:
Zeiteinsparung: Bei einer Dauer von 10 Minuten pro Vorgang könnten etwa 25 Stunden pro Monat eingespart werden. Bei einem internen Kostensatz von 45 €/h ergibt sich eine Ersparnis von 13.500 € pro Jahr.
Verringern des Prüfungsaufwands: Durch die Umstellung kann der Prüfungsaufwand um 20 % gesenkt werden (ca. 25 Stunden weniger). Dies führt zu Einsparungen von 4.750 € (halbjährlich 2.375 €).
Reduzierung von Fehlern: Angenommen, es gibt 0,5 % weniger Nachbuchungen auf 150.000 € Kleinbeschaffungen, das entspricht konservativ 750 €.
Insgesamt ergibt sich in nur sechs Monaten ein Nutzen von etwa 9.375 €.
Kosten des Umstiegs
Die Kosten für den Umstieg in diesem Beispiel würden sich auf 34.500 € belaufen, die für Karten, Spesen-Tools, Setup und Interimskosten anfallen. Dies wäre innerhalb von weniger als 12 Monaten amortisiert, gerechnet mit den dauerhaften Effekten und der Reduktion des Prüfungsrisikos.
Strategischer Plan: Barkasse raus, Compliance rauf
Tage 1–30 (Stabilisieren)
In den ersten 30 Tagen sollte ein Barkassen-Freeze für alle neuen Ausgaben eingerichtet werden, mit Ausnahme von Notfällen, die genehmigt werden müssen. Es sollten RACI-Modelle und klare Limits für die Belegführung definiert werden. Die Spesen-App kann pilotiert werden.
Tage 31–60 (Rollout)
In der zweiten Phase können Firmen- und virtuelle Karten ausgerollt werden. Wichtig ist die Definition von Regeln für verschiedene Kategorien und Budgets sowie die Automatisierung des Belegflusses in das ERP-System. Eine Schulung mit dem Titel "Von Bargeld zu digital" (30 Minuten, Video und Quick-Guide) sollte angeboten werden.
Tage 61–90 (Verankern)
In den letzten 30 Tagen erfolgt die Schließung der Barkassen und die Verbuchung von Restbeständen. Die neue Policy sollte veröffentlicht werden, und die E-Rechnungsanforderungen müssen an die Lieferanten kommuniziert werden.
Compliance-Ecke: Wichtige Rahmenbedingungen
Die rechtlichen Rahmenbedingungen, z.B. AO § 146 und GoBD, verlangen lückenlose Aufzeichnungen und eine geordnete Kassenführung. Digitale Prozesse können diese Anforderungen einfacher sicherstellen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Unternehmen auch zukünftige Compliance-Anforderungen im Blick behalten, insbesondere die strengen Vorgaben für elektronische Kassensysteme und die Verpflichtung zur Einführung eines TSE (Technische Sicherheitsverfahren).
Häufig gestellte Fragen
Ist eine Barkasse grundsätzlich verboten?
Nein, sie ist zulässig, erfordert jedoch einen hohen Aufwand und birgt große Risiken bei Prüfungen. Digitale Prozesse sind effizienter und audit-sicherer.
Brauchen wir sofort E-Rechnung für alle Kleinstbeträge?
Ja, für Lieferantenrechnungen sollte die strukturierte E-Rechnung langfristig das Ziel sein. Bar-Einzelbelege sollte man perspektivisch vermeiden.
Müssen wir TSE einführen?
Die TSE-Pflichten betreffen elektronische Kassensysteme (§ 146a AO/KassenSichV). Unabhängig davon erhöht die Nutzung von Barkassen die Anfälligkeit in Kassennachschauen, weshalb diese besser durch digitale Prozesse ersetzt werden sollten.
Handlungsempfehlung von einem Interim Buchhalter
In der heutigen Geschäftswelt ist es von entscheidender Bedeutung, sich den Veränderungen anzupassen. Setzen Sie den ersten Schritt in Richtung einer bargeldfreien Zukunft.
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Letztendlich könnten Sie feststellen, dass die Abschaffung der Barkasse nicht nur eine gesetzliche Notwendigkeit ist, sondern auch eine strategische Entscheidung, die Ihnen erhebliche Vorteile in Ihrer Finanzverwaltung verschaffen kann.




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